Partialbruchzerlegung
Ihre Anwendung bei der Integration


Frank-Michael Krupp
Mathematik-Facharbeit
Schwerd-Gymnasium Speyer


Inhaltsverzeichnis

1 Integralrechnung
1.1 Aufgaben der Integralrechnung
1.2 Integralbegriffe
1.3 Unterschied unbestimmtes - bestimmtes Integral
1.4 Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung
1.5 Bedeutung der Stetigkeit bei der Integralrechnung
1.6 Grundintegrale
1.7 Rechenregeln
1.8 Integration durch Substitution
1.9 Partielle Integration
1.10 Integration durch Reihen
1.11 Numerische Integration
1.12 Graphische Integration
2 Partialbruchzerlegung
2.1 Was ist ein Partialbruch
2.2 Warum wird die Partialbruchzerlegung bei der Integration angewendet
2.3 Durchführung der Partialbruchzerlegung
2.4 Fallunterscheidung Partialbruchzerlegung
2.5 Koeffizientenbestimmung
2.6 Partialbruchintegrale
2.7 Zusammenfassung der Partialbruchzerlegung





1 Integralrechnung

[Kapitel 1 entfernt]

Hinweis:
Das ist die gekürzte und überarbeitete Version meiner Facharbeit. Den Text habe ich 1996 mit Word geschrieben. Manche Formeln und Grafiken sehen deshalb verzerrt aus. Da es die Informationen aus Kapitel 1 mittlerweile überall im Internet besser dargestellt gibt, habe ich dieses Kapitel nicht nochmal neu geschrieben. Falls trotzdem Interesse besteht an der alten Version mit teilweise unscharfen Formeln, hier ist die PDF-Datei: Integralrechnung.pdf

Das wichtigere Kapitel 2 habe ich neu formatiert. Die Formeln sollten in jedem Browser korrekt angezeigt werden. Ansonsten gibt es Kapitel 2 auch im PDF-Druckformat: Partialbruchzerlegung.pdf

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2 Partialbruchzerlegung

Die Partialbruchzerlegung wird zur Integration gebrochenrationaler Integranden benötigt. Mit ihrer Hilfe lassen sich alle gebrochenrationalen Funktionen integrieren. Diese Einsicht, die um 1799 aufkam, führte zur Frage nach der Existenz von Nullstellen des Nennerpolynoms und wurde dadurch zu einem wichtigen Motiv bei der Entwicklung des Fundamentalsatzes der Algebra.

Eine gebrochenrationale Funktion \(s(x)\) ist als ein Quotient aus ganzrationalen stetigen Funktionen definiert: \[ s(x)=\frac{\sum \limits _{i=0}^{n} a_{i} \cdot x^{i}}{\sum \limits _{j=0}^{m} b_{j} \cdot x^{j}} \label{1}\tag{1} \] oder alternativ ausgeschrieben:
\[\qquad s(x)=\frac {a_{n} \cdot x^{n} + a_{n-1} \cdot x^{n-1} + \ldots + a_{2} \cdot x^{2}+ a_{1} \cdot x + a_{0}}{b_{m} \cdot x^{m} + b_{m-1} \cdot x^{m-1} + \ldots + b_{2} \cdot x^{2}+ b_{1} \cdot x + b_{0}} \]

Ihr Definitionsbereich ist \(D=\mathbb{R}\)\(B \), wobei \(B\) die Menge der Nullstellen der Nennerfunktion ist. Der Definitionsbereich kann aufgefasst werden als Vereinigung von endlich vielen Intervallen, in denen die gebrochenrationale Funktionen stetig sind. Eine Stammfunktion ist folglich vorhanden.



2.1 Was ist ein Partialbruch

Ist der Nenner eines Bruches eine zusammengesetzte Zahl, so lässt sich der Bruch als Summe von Partialbrüchen darstellen. Die Nenner der Partialbrüche entsprechen den Primfaktoren des Ausgangsnenners. \[\qquad \frac{253}{273}=\frac{1}{3} + \frac{2}{7} + \frac{4}{13} \]

Dies lässt sich analog auch für gebrochenrationale Funktionen durchführen, wobei als Einzelnenner die linearen und quadratischen Faktoren des Nennerpolynoms auftreten. \[\qquad \frac {x+27}{x^{2}-9}=\frac{-4}{x+3} + \frac{5}{x-3} \]


Die rationale Funktion der Gestalt \(\frac{P}{Q^{k}} \) wobei \(Q\) ein irreduzibles Polynom, \(P\) ein Polynom (\(\neq 0\)) mit dem Grad \(P\) \(<\) Grad \(Q\), und \(k\) eine natürliche Zahl ist, heißt Partialbruch.



2.2 Warum wird die Partialbruchzerlegung bei der Integration angewendet

Aus der Funktionsgleichung \[ f(x)=\frac{4}{x+3} - \frac{3}{x+2} \label{2a}\tag{2a} \] erhält man durch Hauptnenner-Bildung leicht die äquivalente Gleichung \[ f(x)=\frac{4 \cdot (x+2)}{(x+3)\cdot (x+2)} - \frac{3\cdot (x+3)}{(x+2)\cdot (x+3)}=\frac {4x + 8 -x -9}{x^{2}+5x +6}=\frac{3x -1}{x^{2}+5x +6} \label{2b}\tag{2b} \]

Die Integration von Gleichung (\(\ref{2a}\)) ist einfach: Mit Hilfe der Grundintegral-Rechenregeln ergibt sich die Stammfunktion \(F(x)=4 \ln |(x+3)| - 3 \ln |(x+2)|\).

Gleichung (\(\ref{2b}\)) lässt sich jedoch kaum integrieren. Man muss deshalb versuchen, einen Term der Form (\(\ref{2b}\)) auf die einfache Form (\(\ref{2a}\)) zurückzuführen, also in Partialbrüche zu zerlegen. Die Partialbruchzerlegung wird bei der Integration angewendet, um den Funktionsterm so in eine Summe rationaler Funktionen zu zerlegen, dass die Nenner von möglichst einfacher Gestalt sind, die dann einfacher integriert werden können.



2.3 Durchführung der Partialbruchzerlegung

2.3.1 Abspaltung eines ganzrationalen Anteils

Ist \(s(x)\) eine gebrochenrationale Funktion, so kann diese als Quotient zweier Polynome in \(x\) dargestellt werden. Ist sie unecht gebrochen, das heißt der Grad des Zählers ist \(\geq \) dem Grad des Nenners, so kann dieser Quotient weiter durch Polynomdivision als Summe einer ganzen und einer echt gebrochenrationalen Funktion dargestellt werden. Einen gebrochenrationalen Ausdruck \(\frac{f(x)}{g(x)}\) nennt man echt, wenn der Grad des Polynoms im Zähler kleiner als der Grad des Polynoms im Nenner ist, und unecht im umgekehrten Falle.

\(\qquad s(x)\quad=\) \(\frac{f_{1} (x)}{g(x)}\) = \(r(x) \) + \(\frac{f (x)}{g(x)}\)
unecht ganzrationaler echt
gebrochenrational Term gebrochenrational


Die Integration des ganzrationalen Polynoms \(r(x)\) ist mit Hilfe der Grundintegrale möglich. Damit ist das Problem auf den echten algebraischen Bruch \(\frac{f(x)}{g(x)}\) begrenzt worden. Der Grad von \(f\) ist echt kleiner als der von \(g\) (echt gebrochen).

Es muss also sichergestellt werden, dass es sich um einen echt gebrochenen rationalen Integranden handelt, das heißt der Grad des Zählerpolynoms \(f(x)\) kleiner als der Grad des Nennerpolynoms \(g(x)\) ist (\(n<m\) in Gleichung (\(\ref{1}\))).

Ein Verfahren, einen unecht gebrochenen Term in die Summe eines Polynoms und eines echt gebrochenen Restgliedes zu verwandelt, ist die Zählerergänzung, die sich bei einfachen Funktionen anwenden lässt.

Beispiel:
\[\qquad \frac{x^{3}}{x-1}=\frac {x^{3}-1+1}{x-1}=\frac{x^{3}-1}{x-1} + \frac{1}{x-1}=x^{2}+x+1+ \frac{1}{x-1} \]


Und als letzter Schritt wird die echt gebrochenrationale Funktion so gekürzt, dass der höchste Nennerkoeffizient \(b_{m}=1\) ist.

Beispiel:
\[\qquad \frac{6x-1}{3x^{2}-4}=\frac {2x-\frac{1}{3}}{x^{2}-\frac{4}{3}} \]


Fazit:

Das Problem ist auf echt gebrochenrationale Funktionen begrenzt worden: \[\qquad s(x)=\frac{f_{n}(x)}{g_{m}(x)} \] \(f_{n}(x)\): Zählerpolynom vom Grad n
\(g_{m}(x)\): Nennerpolynom vom Grad m
\(m>n\)
Normierung des Nenners \(g(x)\) auf höchsten Koeffizienten 1



2.3.2 Polynomzerlegung

Um die echt gebrochenrationale Funktion in Partialbrüche zu zerlegen, muss als erstes das Nennerpolynom in die Primfaktoren gespalten werden. Dieser Schritt ist einfach, wenn die Nullstellen bekannt sind, infolgedessen die Lösungsmenge der Gleichung \(g(x)=0\) bekannt ist. Die rechnerische Durchführung erhält hier eine Einschränkung, weil obwohl die Existenz der Produktdarstellung durch den Fundamentalsatz der Algebra gesichert ist, das Aussehen bekannt sein sollte, sonst ist die praktische Durchführung der Primfaktorzerlegung im allgemeinen nicht möglich.



2.3.3 Zerlegung in ein Produkt aus Linearfaktoren

Aus einem Polynom lässt sich der Faktor \(x-x _{i}\) ausklammern, wenn \(x _{i}\) eine Nullstelle von \(g\) ist. Sind \(x_{1},\ldots ,x_{m}\) alle Nullstellen von \(g\), so ergibt sich durch mehrmalige Anwendung dieses Satz und mit Hilfe des Fundamentalsatzes der Algebra:

Jede ganzrationale Funktion \(g(x)\) \(m\)-ten Grades \[\qquad g(x)=b_{m} \cdot x^{m} + b_{m-1} \cdot x^{m-1} + \ldots + b_{2} \cdot x^{2}+ b_{1} \cdot x + b_{0} \qquad (b_{m} \neq 0) \] kann als ein Produkt von Linearfaktoren dargestellt werden:
\[\qquad g(x)=(x-x _{1}) \cdot (x-x _{2}) \cdot \ldots \cdot (x-x _{m}) \cdot t(x) \]
Dabei sind \(x _{1},\ldots ,x _{m}\) die Nullstellen der Funktion, sie müssen nicht verschieden sein, die Nullstelle \(x _{1}\) kann \(\alpha _1\)-mal, \(x _{k}\) kann \(\alpha _k\)-mal vorkommen:
\[\qquad g(x)=(x-x _{1})^{\alpha _1} \cdot (x-x _{2})^{\alpha _2} \cdot \ldots \cdot (x-x _{k})^{\alpha _k} \cdot t(x) \]
\(g(x)\) hat \(m\)-ten Grad, also \(m=\alpha _1 + \alpha _2 + \ldots + \alpha _k \, + \) Grad \(t(x)\)

Wenn \(m\) den Wert 2 hat, dann kann die ganzrationale Funktion 2. Grades so dargestellt werden: \[\qquad y=g(x)=(x-x_1)\cdot (x-x_2) \] Aus \(y=0\) (Nullstellenbestimmung) folgt \[\qquad (x-x_1)\cdot (x-x_2)=0 \] \[\qquad x^2 -x \cdot x_2 -x_1 \cdot x + x_1 \cdot x_2=0 \] \[\qquad x^2 -x \cdot (x_1 + x_2 ) + x_1 \cdot x_2=0 \] \[\qquad x^2 +x \cdot p + q=0 \] Die letzte Umformung erfolgte mit dem Wurzelsatz von Vieta. Dieser lautet:

Sind \(p\) und \(q\) die Koeffizienten der quadratischen Gleichung \(x^2 +p \cdot x + q=0\) und \(x_1\) und \(x_2\) deren Lösungen. Dann gilt: \(x_1 + x_2=-p\) und \(x_1 \cdot x_2=q\).

Deshalb sind \((x-x_1)\cdot (x-x_2)=0\) und \(x^2 +x \cdot p + q=0\) identisch.

Beispiel:
\[\qquad x^2 -10 x + 11=0 \] \[\qquad p=-10 \qquad q=11 \] \[\qquad x_1 \cdot x_2=11 \] \[\qquad x_1 - x_2=10 \] \[\qquad x_1=11 \qquad x_2=1 \] \[\qquad (x-11) \cdot (x-1)=0 \]



2.3.4 Zerlegung in ein Produkt aus irreduziblen, quadratischen Faktoren

\(g(x)\) ist ein Polynom ohne reelle Nullstellen, es lässt sich nicht als Produkt von Linearfaktoren darstellen. \(x^2 +px + q=0\) hat keine Lösung. Dabei muss folgende Bedingung gelten \(4 q-p^2>0\).

Erklärung: Wenn diese Bedingung erfüllt ist, ergibt sich bei der Berechnung für \(x_1=- \frac{p}{2} + \sqrt{\frac{p^2}{4}-q}\) und \(x_2=- \frac{p}{2} - \sqrt {\frac{p^2}{4}-q}\) eine negative Diskriminante, die im Reellen nicht lösbar ist.

Anmerkung: Im Komplexen gäbe es eine lineare Lösung. Das Polynom\(g\) könnte man vollständig zerlegen in Linearfaktoren\((x-z_ i)\) , wobei\(z_i \in \mathbb{C}\)\(\mathbb{R}\) ist.

Im Reellen sieht die Zerlegung so aus:
\[\qquad g(x)=(x^2 + p_1x+ q_1) + (x^2 + p_2x+ q_2) + \ldots + (x^2 + p_nx+ q_n) \]
Auch hier kann man wieder gleiche quadratische, irreduzible Faktoren zu Potenzen zusammenfassen. \[\qquad g(x)=(x^2 + p_1x+ q_1)^{s_1} + (x^2 + p_2x+ q_2)^{s_2} + \ldots + (x^2 + p_nx+ q_n)^{s_n} \]
Beispiel:\[\qquad g(x)=x^4 + x^3 -2x=x \cdot (x^3 + x^2 -2) \quad \text{(Ausklammern von} (x-0)) \] \[\qquad (x^3 + x^2 -2)=(x-1) \cdot (x^2+2x+2) \quad \text{(Ausklammern von geratener Nullstelle} x=1) \] \[\qquad \text{pq-Formel:}\quad x_{1/2}=-1 \pm \sqrt{1-2} \quad \text{(negative Diskriminante)} \] \[\qquad (x^2+2x+2)\quad \text{hat keine reellen Nullstellen, die Zerlegung lautet:} \] \[\qquad g(x)=x\cdot (x-1)\cdot (x^2+2x+2) \]

Zusammenfassende Behauptung:
Jedes Polynom lässt sich in ein Produkt aus linearen und quadratischen Termen zerlegen. Somit lassen sich alle rationalen Funktionen integrieren.

Beweis:
Gegeben sei das Polynom: \(a_{n} \cdot x^{n} + a_{n-1} \cdot x^{n-1} + \ldots + a_{2} \cdot x^{2}+ a_{1} \cdot x + a_{0}\)
\(a_n \neq 0\) und \(a_i\) sind reelle Zahlen

\(p(x)\) und \(q(x)\) seien Polynome, so gibt es eindeutig bestimmte Polynome \(v(x)\) und \(r(x)\), so dass gilt: \(p(x)=v(x) \cdot q(x) + r(x)\)

\(v(x)\) und \(q(x)\) sind von kleinerem Grad als \(p(x)\). \(r(x)\) ist entweder 0 oder vom Grad kleiner als \(p(x)\). Man kann die Polynome weiter zerlegen, bis man \(n=2\) oder \(n=1\) erreicht hat.

\( a_{2} \cdot x^{2}+ a_{1} \cdot x + a_{0}\) quadratischer Term
\( a_{1} \cdot x + a_{0}\) linearer Term

Von jedem Polynom, dessen Grad \(>\)2 ist, kann man solange quadratische oder lineare Terme abspalten, bis es selbst ein quadratischer oder linearer Term geworden ist. Die irreduziblen Polynome sind höchsten vom 2. Grad. Dies folgt aus dem Fundamentalsatz der Algebra, der besagt, dass die über dem Körper der komplexen Zahlen irreduziblen Polynome alle linear sind. \(\blacksquare \)

Fazit:

Ist die rationale Funktion in der Form \(\frac{f(x)}{g(x)}\) mit Grad \(f\) \(<\) Grad \(g\) gegeben, so kann das Nennerpolynom \(g\) vollständig in Faktoren der Form \((x-x_m)^{r_m}\) und \( (x^2 + p_nx+ q_n)^{s_n}\) zerlegt werden.
\(x_m\), \(p_n\), \(q_n\) \(\in \) \(\mathbb{R} \qquad 4q-p^2>0 \qquad r\),\(s\) \(\in \) \(\mathbb{N}\)



2.4 Fallunterscheidung Partialbruchzerlegung

Grundsätzlich sind vier verschiedene Fälle zu unterscheiden, die sich nach der Beschaffenheit des Nennerterms \(g(x)\) richten:





Linearer Faktor Quadratischer Faktor



Exponent \(=1\) I III



Exponent \(>\)1 II IV





Im folgenden werden die einzelnen Fälle separat betrachtet. Dies geschieht, um die Unterschiede deutlich zu machen. Normalerweise beinhaltet eine gebrochenrationale Funktion nicht nur einen einzigen Fall.

Nebenbemerkung: Fall I kann man als Sonderfall von Fall II sehen (alle Exponenten haben den Wert 1) und Fall III als Sonderfall von Fall IV.



2.4.1 Fall I: einfache lineare Faktoren

Wenn man den Nennerterm \(g(x)\) mit Hilfe des Fundamentalsatzes der Algebra umformt \[\qquad g(x)=x^{m} + b_{m-1} \cdot x^{m-1} + \ldots + b_{2} \cdot x^{2}+ b_{1} \cdot x + b_{0}=(x-x_1) \cdot (x-x_2) \cdot \ldots \cdot (x-x_m) \] sind im Fall I alle \(x_i\) Nullstellen der Funktion voneinander verschieden.

Beispiel:
Folgende Funktion lässt sich nicht direkt integrieren und soll deshalb in Partialbrüche zerlegt werden: \[\qquad s(x)=\frac{x+10}{x^2+5x-14} \] Mit Hilfe der pq-Formel ergibt sich: \[\qquad x_{1/2}=-\frac{5}{2} \pm \sqrt{\Bigl (\dfrac{5}{2}\Bigr )^2 + 14}=-2,5 \pm 4,5 \] \[\qquad x_{1}=2 \qquad x_{2}=-7 \]
Also ergibt sich die Zerlegung \[\qquad s(x)=\frac{x+10}{x^2+5x-14}=\frac{A_1}{x-2} + \frac{A_2}{x+7} \]

Um die Aufgabe abzuschließen und deutlich zu machen, welchen Nutzen diese Zerlegung bietet, werden im nächsten Schritt mit Hilfe der später noch ausgiebig erklärten Methode des Koeffizientenvergleichs die Zähler berechnet: \[\qquad A_1=\frac{4}{3} \qquad A_2=-\frac {1}{3} \]
Als letzter Schritt kann anhand der im Kapitel Partialbruchintegrale vorgestellten Rechenregeln die Stammfunktion direkt bestimmt werden:
\[\qquad \int \frac{x+10}{x^2+5x-14}\,dx=\int \frac{4}{3(x-2)}\,dx - \int \frac{1}{3(x+7)}\,dx=\dfrac{4\ln \left (\left |x-2\right |\right )}{3}-\dfrac{\ln \left (\left |x+7\right |\right )}{3} \]

Fazit:

Hat das Nennerpolynom nur einfache lineare Faktoren, so ist folgende Zerlegung möglich: \[\qquad \frac{f(x)}{g(x)}=\frac{A_1}{(x-x_1)} + \frac{A_2}{(x-x_2)} + \ldots + \frac{A_{\omega}}{(x-x_{\omega})} \]



2.4.2 Fall II: mehrfache lineare Faktoren

Wenn man den Nennerterm g(x) mit Hilfe des Fundamentalsatzes der Algebra umformt, erhält man in Fall II: \[\qquad g(x)=x^{m} + b_{m-1} \cdot x^{m-1} + \ldots + b_{2} \cdot x^{2}+ b_{1} \cdot x + b_{0}=(x-x_1)^{\alpha _1} \cdot (x-x_2)^{\alpha _2} \cdot \ldots \cdot (x-x_m)^{\alpha _m} \] wobei die Exponenten \(\alpha _i > 1\) sind.

Beispiel:
\[\qquad s(x)=\frac{x-1}{x^2+4x+4}=\frac {x-1}{(x+2)^2} \] Der zunächst naheliegende Ansatz \[\qquad \frac{x-1}{(x+2)^2}=\frac{x-1}{(x+2) \cdot (x+2)}=\frac{A_1}{(x+2)} + \frac{A_2}{(x+2)} \] scheitert wegen der doppelten Nullstelle \(x=-2\). Es ist nicht möglich ein \(A_1\) und \(A_2\) zu finden, das die Gleichung erfüllt. Es ergibt sich ein unlösbarer Widerspruch: \(A_1 + A_2=1\) und \(A_1 + A_2=-\frac{1}{2}\), außerdem könnte man die beiden Brüche zusammenfassen zu \(\frac{A_1+A_2}{(x+2)}\) und erhält einen anderen Nenner als der Fundamentalsatz der Algebra.

Der zielführende Ansatz muss 2 Brüche enthalten, die verschiedene Nenner haben, und deren gemeinsamer Hauptnenner mit \(g(x)\) identisch ist.

Lösung:
Man muss den Ansatz so gestalten, dass bei der Zusammenfassung im Nenner der Hauptnenner \((x+2)^2\) und im Zähler ein linearer Ausdruck von \(x\) steht, das erreicht man durch: \[\qquad \frac{x-1}{(x+2)^2}=\frac{A^{[1]}}{(x+2)} + \frac{A^{[2]}}{(x+2)^2} \]
Auch hier wieder ein Vorgriff auf später erklärte Rechenschritte: Die Koeffizientenbestimmung ist eindeutig lösbar: \(A^{[1]}=1 \) und \(A^{[2]}=-3 \)

Zusammengefasst ist also die Lösung der Aufgabe: Integrieren Sie:
\[\qquad \int \frac{x-1}{x^2+4x+4}\,dx=\int \frac{1}{x+2}\,dx - \int \frac {3}{(x+2)^2}\,dx=\ln \left (\left |x+2\right |\right )+\dfrac{3}{x+2} \]

Ein weiteres Beispiel:
Der Nenner des Integranden hat mehrfache reelle Nullstellen \[\qquad \frac{3x^4-9x^3+4x^2+34x+1}{(x-2)^3 \cdot (x+3)^2} \] \[\qquad x_1=2 \quad x_2=2 \quad x_3=2 \quad x_4=-3 \quad x_5=-3 \]
Die Nullstelle 2 ist eine dreifache Nullstelle und die Nullstelle -3 eine zweifache Nullstelle.

Der Ansatz mit einfachen, linearen Faktoren \[\qquad \frac {A_1}{x-2} + \frac{A_2}{x-2} + \frac{A_3}{x-2} + \frac{A_4}{x+3} + \frac{A_5}{x+3} \] ist falsch, weil \[\qquad \frac{A_1 + A_2 + A_3}{x-2} + \frac{A_4 + A_5}{x+3} \] zu einem anderen Hauptnenner führt als der Fundamentalsatz der Algebra: \[\qquad (x-2)(x-2)(x-2)(x+3)(x+3)=(x-2)^3 \cdot (x+3)^2 \]
Man sucht 5 Partialbrüche, die alle einen verschiedenen Nenner haben und deren Hauptnenner \((x-2)^3 \cdot (x+3)^2\) ist.

Lösung:
\[\qquad \frac {A_1^{[3]}}{(x-2)^3} + \frac{A_1^{[2]}}{(x-2)^2} + \frac{A_1^{[1]}}{x-2} + \frac{A_2^{[2]}}{(x+3)^2}+ \frac{A_2^{[1]}}{x+3} \]

Hinweis: Für eine doppelte reelle Nullstelle ist statt \((x-x_0)^2 \rightarrow \frac {A^{[2]}}{(x-x_0)^2} + \frac{A^{[1]}}{x-x_0} \) auch ein anderer Ansatz denkbar, nämlich \(\frac {Ax+B}{(x-x_0)^2}\), dieser ist aber schwer zu integrieren.

Erneut wird die Methode des Koeffizientenvergleichs angewendet: \[\qquad A_1^{[3]}=\frac {61}{25} \qquad A_1^{[2]}=\frac{68}{125} \qquad A_1^{[1]}=\frac{353}{625} \qquad A_2^{[2]}=-\frac {421}{125} \qquad A_2^{[1]}=\frac{1522}{625} \]
Und damit ergibt sich mit den im späteren Kapitel Partialbruchintegrale vorgestellten Rechenregeln die Stammfunktion: \[\qquad -\dfrac{61}{50\left (x-2\right )^2} -\dfrac{68}{125\left (x-2\right )} +\dfrac{353\ln \left (\left |x-2\right |\right )}{625} +\dfrac{421}{125\left (x+3\right )} +\dfrac{1522\ln \left (\left |x+3\right |\right )}{625} \]

Fazit:

Hat das Nennerpolynom mehrfache, lineare Faktoren, so ist folgende Zerlegung des Nenners möglich: \[\qquad g(x)=(x-x_1)^{\alpha _1} \cdot (x-x_2)^{\alpha _2} \cdot \ldots \cdot (x-x_m)^{\alpha _m} \] \(x_1\) ist eine \(\alpha _1\)-fache, \(x_2\) ist eine \(\alpha _2\)-fache, …und \(x_m\) ist eine \(\alpha _m\)-fache Nullstelle.

Für jede Binompotenz \((x-x_i)^n\) des Nenners müssen dann \(n\) Partialbrüche (\(n \in \mathbb{N}\)) in den Ansatz aufgenommen werden.

Die Partialbrüche dazu sehen folgendermaßen aus: \[\qquad \frac{A_1^{[\alpha _1]}}{(x-x_1)^{\alpha _1}} + \frac{A_1^{[\alpha _1 -1]}}{(x-x_1)^{\alpha _1 -1}} + \ldots + \frac{A_1^{[2]}}{(x-x_1)^{2}} + \frac{A_1^{[1]}}{x-x_1} \quad + \] \[\qquad \frac{A_2^{[\alpha _2]}}{(x-x_2)^{\alpha _2}} + \frac{A_2^{[\alpha _2 -1]}}{(x-x_2)^{\alpha _2 -1}} + \ldots + \frac{A_2^{[2]}}{(x-x_2)^{2}} + \frac {A_2^{[1]}}{x-x_2}\quad + \] \[\qquad \qquad \ldots \qquad + \qquad \ldots \qquad + \ldots + \qquad \ldots \quad + \quad \ldots \qquad + \] \[\qquad \frac{A_m^{[\alpha _m]}}{(x-x_m)^{\alpha _m}} + \frac{A_m^{[\alpha _m -1]}}{(x-x_m)^{\alpha _m -1}} + \ldots + \frac{A_m^{[2]}}{(x-x_m)^{2}} + \frac {A_m^{[1]}}{x-x_m} \]



2.4.3 Fall III: einfache quadratische Faktoren

\(g(x)\) ist im Fall III ein Polynom ohne reelle Nullstellen, es lässt sich nicht als Produkt von Linearfaktoren darstellen. \[\qquad g(x)=(x^2 + p_1x+ q_1) + (x^2 + p_2x+ q_2) + \ldots + (x^2 + p_nx+ q_n) \]
Die Diskriminante ist kleiner als Null, die Lösung der quadratischen Gleichung somit imaginär. Im Komplexen gäbe es eine lineare Lösung.

Beispiel:
\[\qquad g(x)=x^3 - x^2 + 9x -9=(x-1) (x^2+9) \]
\((x^2+9)\) ist ein quadratischer Term, der nicht weiter zerlegbar ist. \[\qquad x_{1/2}=2 \pm \sqrt{4-13}=2 \pm \sqrt{-9} \] \[\qquad x_{1}=2 + 3i \qquad x_{2}=2 - 3i \] \[\qquad \rightarrow \frac{A_1}{x-2-3i} + \frac{A_2}{x-2+3i} \]
Unter Verwendung komplexer Zahlen könnte man folgenden Ansatz wählen: \[\qquad \frac{f(x)}{g(x)}=\frac{A_1}{(x-x_1)} + \frac{A_2}{(x-x_2)} + \ldots + \frac{A_{\omega}}{(x-x_{\omega})} \] \(x_i\) sind keine reellen, sondern komplexe Nullstellen.

Andererseits kann das Auftreten von komplexen Größen ganz vermieden werden, indem man die Partialbrüche, die zu den jeweiligen Paaren komplexer Nullstellen gehören auf einen gemeinsamen Nenner bringt. Da das Produkt und die Summe zweier konjugiert-komplexer Zahlen immer reell sind, ist der so entstehende Partialbruch auch reell.

Beispiel:
\(B\) und \(C\) seien komplex. Man vereinigt die beiden letzten Partialbrüche auf: \[\qquad s(x)=\frac {7x^2-1x-30}{x^3-6x^2+10x}=\frac{A}{x} + \frac{B}{x-3+i} + \frac{C}{x-3-i}=\frac{A}{x} +\frac {Bx+C}{x^2-6x+10} \]
Koeffizientenbestimmung führt zu: \[\qquad s(x)=\frac{-3}{x} +\frac{10x-19}{x^2-6x+10} \]
und die Rechenregeln der Partialbruchintegrale liefert die Stammfunktion: \[\qquad S(x)=-3\ln \left (\left |x\right |\right )+5\ln \left (x^2-6x+10\right )+11\arctan \left (x-3\right ) \]

Fazit:

Hat das Nennerpolynom nur einfache, komplexe Faktoren, so ist folgende Zerlegung möglich. \[\qquad s(x)=\frac{B_1x+C_1}{x^2+b_1x+c_1} + \frac{B_2x+C_2}{x^2+b_2x+c_2} + \ldots + \frac{B_{\omega}x+C_{\omega}}{x^2+b_{\omega}x+c_{\omega}} \]



2.4.4 Fall IV: mehrfache quadratische Faktoren

Tritt eine komplexe Nullstelle \(x-x_m\) mehrfach auf, dann hat \(g(x)\) die Form: \[\qquad g(x)=(x^2 + p_1x+ q_1)^{s_1} + (x^2 + p_2x+ q_2)^{s_2} + \ldots + (x^2 + p_nx+ q_n)^{s_n} \]

Beispiel:
\[\qquad \frac{1}{(x^2+1)^2 \cdot (x-3)}=\frac{A}{(x-3)} + \frac{B^{[2]}x+C^{[2]}}{(x^2+1)^2} + \frac{B^{[1]}x+C^{[1]}}{x^2+1} \]
Multiplikation mit Hauptnenner:
\[\qquad 1=A(x^2 + 1)^2 +(B^{[1]} x + C^{[1]})(x-3)(x^2+1)+(B^{[2]} x + C^{[2]})(x-3) \] \[\qquad \quad=Ax^4 + 2Ax^2 + A + B^{[1]}x^4 + B^{[1]}x^2 - 3B^{[1]}x^3 - 3B^{[1]}x \] \[\qquad \qquad + C^{[1]}x^3 + C^{[1]}x - 3C^{[1]}x^2 - 3C^{[1]} + B^{[2]}x^2 - 3B^{[2]}x + C^{[2]}x - 3C^{[2]} \] \[\qquad \quad=x^4(A+B^{[1]}) +x^3(-3B^{[1]} + C^{[1]}) + x^2(2A + B^{[1]} -3C^{[1]} + B^{[2]}) \] \[\qquad \qquad +x (-3B^{[1]} + C^{[1]} -3B^{[2]} + C^{[2]}) + (A-3C^{[1]}-3C^{[2]}) \]
Mit Hilfe der Methode des Koeffizientenvergleichs ergibt sich: \[\qquad A=\frac{1}{100} \qquad B^{[1]}=-\frac{1}{100} \qquad B^{[2]}=-\frac{1}{10} \qquad C^{[1]}=-\frac{3}{100} \qquad C^{[2]}=-\frac{3}{10} \]

Zusammengefasst ist also die Lösung der Aufgabe: Integrieren Sie:
\[\qquad \int \frac{1}{(x^2+1)^2 \cdot (x-3)}\,dx=\int \frac{1}{100(x-3)}\,dx + \int \frac{-\frac{x}{10}-\frac{3}{10}}{\left (x^2+1\right )^2}\,dx + \int \dfrac{-\frac{x}{100}-\frac {3}{100}}{x^2+1}\,dx \]\[\qquad \quad=\dfrac{\ln \left (\left |x-3\right |\right )}{100} + \dfrac{1-3x}{20\left (x^2+1\right )}-\dfrac{3\arctan \left (x\right )}{20} -\dfrac{\ln \left (x^2+1\right )+6\arctan \left (x\right )}{200} \]\[\qquad \quad=\dfrac{\ln \left (\left |x-3\right |\right )}{100} -\dfrac{\ln \left (x^2+1\right )}{200}-\dfrac{9\arctan \left (x\right )}{50}-\dfrac{3x-1}{20x^2+20} \]

Fazit:

Hat das Nennerpolynom mehrfache, quadratische Faktoren, so ist folgende Zerlegung möglich:
\[\qquad g(x)=(x^2 + b_1x+ c_1)^{\beta _1} + (x^2 + b_2x+ c_2)^{\beta _2} + \ldots + (x^2 + b_{\omega}x+ c_{\omega})^{\beta _{\omega}} \] Der quadratische Faktor \((x^2 + b_1x+ c_1)\) kommt \(\beta _1\)-mal, …, \((x^2 + b_{\omega}x+ c_{\omega})\) kommt \(\beta _{\omega}\)-mal vor.

Folgender Ansatz ist möglich: \[\qquad \frac {B_1^{[\beta _1]} x + C_1^{[\beta _1]}}{(x^2 + b_1x+ c_1)^{\beta _1}} + \frac{B_1^{[\beta _1 -1]} x + C_1^{[\beta _1-1]}}{(x^2 + b_1x+ c_1)^{\beta _1 -1}} + \ldots + \frac{B_1^{[2]} x + C_1^{[2]}}{(x^2 + b_1x+ c_1)^{2}} + \frac{B_1^{[1]} x + C_1^{[1]}}{x^2 + b_1x+ c_1} \quad + \] \[\qquad \frac {B_2^{[\beta _2]} x + C_2^{[\beta _2]}}{(x^2 + b_2x+ c_2)^{\beta _2}} + \frac{B_2^{[\beta _2 -1]} x + C_2^{[\beta _2-1]}}{(x^2 + b_2x+ c_2)^{\beta _2 -1}} + \ldots + \frac{B_2^{[2]} x + C_2^{[2]}}{(x^2 + b_2x+ c_2)^{2}} + \frac{B_2^{[1]} x + C_2^{[1]}}{x^2 + b_2x+ c_2} \quad + \] \[\qquad \qquad \quad \quad \ldots \quad \quad + \qquad \qquad \ldots \qquad \quad \quad + \ldots + \qquad \quad \ldots \quad \quad \quad + \qquad \quad \ldots \quad \qquad + \] \[\qquad \frac{B_{\omega}^{[\beta _{\omega}]} x + C_{\omega}^{[\beta _{\omega}]}}{(x^2 + b_{\omega}x+ c_{\omega})^{\beta _{\omega}}} + \frac{B_{\omega}^{[\beta _{\omega} -1]} x + C_{\omega}^{[\beta _{\omega}-1]}}{(x^2 + b_{\omega}x+ c_{\omega})^{\beta _{\omega} -1}} + \ldots + \frac{B_{\omega}^{[2]} x + C_{\omega}^{[2]}}{(x^2 + b_{\omega}x+ c_{\omega})^{2}} + \frac{B_{\omega}^{[1]} x + C_{\omega}^{[1]}}{x^2 + b_{\omega}x+ c_{\omega}} \]



2.4.5 Zusammenfassung der 4 Fälle

Von der echt gebrochenrationalen Funktion \(s(x)=\frac{f(x)}{g(x)} \) sei die Produktdarstellung des Nenners bekannt. Zu jedem Faktor \((x-x_i)^{\alpha _i}\) in der Zerlegung des Nennerpolynoms gehört in der Darstellung von \(s\) eine Summe und zu jedem Faktor \((x^2+b_ix+c_i)^{\beta _i}\) gehört in der Darstellung eine Summe: \[\qquad \frac {f(x)}{g(x)}=\sum _{p=1}^{\omega} \sum _{v=1}^{\alpha _p} \frac{A_p^{[v]}}{(x-x_p)^v} + \sum _{q=1}^{\psi} \sum _{w=1}^{\beta _q} \frac{B_q^{[w]} x + C_q^{[w]}}{(x^2 + b_qx + c_q)^w} \] mit den zu bestimmenden, reellen Koeffizienten.




2.5 Koeffizientenbestimmung

Um die jetzt noch fehlenden Zähler der Brüche zu bestimmen, sind drei unterschiedliche Verfahren vorhanden, die sich je nach Beschaffenheit der Partialbrüche mehr oder weniger eignen.



2.5.1 Methode des Koeffizientenvergleichs

Der einfache echt gebrochenrationale Bruch \[\qquad s(x)=\frac{f(x)}{g(x)}=\frac {2x-\frac{1}{3}}{(x-1)\cdot (x+3)} \] dessen Primfaktorzerlegung bekannt ist, soll mit Hilfe dieser Methode gelöst werden. \[\qquad \frac{2x-\frac{1}{3}}{(x-1)\cdot (x+3)}=\frac{A'+B'}{N_1 \cdot N_2}=\frac{A}{N_1} + \frac{B}{N_2} \] \(A'=2 \), \(B'=-\frac{1}{3} \), \(N_1=(x-1)\) und \(N_2=(x+3)\). \(A\) und \(B\) müssen bestimmt werden.


Durch Multiplikation mit \(g(x)=N_1 \cdot N_2\) erhält man: \[\qquad 2x-\frac {1}{3}=A \cdot N_2 + B \cdot N_1 \] \[\qquad 2x-\frac{1}{3}=A \cdot (x+3) + B \cdot (x-1) \] \[\qquad 2x-\frac{1}{3}=x \cdot (A+B) + 1 \cdot (3A-B) \]
\(x\) (oder alternativ geschrieben \(x^1\)) hat auf der linken Seite den Koeffizient \(2\), auf der rechten Seite muss er auch \(2\) sein, damit die Gleichung erfüllt ist, also folgt: \[\qquad 2=A + B \] \(1\) (oder alternativ geschrieben \(x^0\)) hat auf der linken Seite den Koeffizient \(-\frac{1}{3}\), auf der rechten Seite muss er auch \(-\frac{1}{3}\) sein, damit die Gleichung erfüllt ist, also folgt: \[\qquad -\frac{1}{3}=3A - B \]
Man hat nun zwei lineare Gleichungen, die sich mit dem Additionsverfahren oder Gleichsetzungsverfahren lösen lassen. Beide Gleichungen addiert ergibt: \[\qquad \frac{5}{3}=4A \quad \rightarrow \quad A=\frac{5}{12} \quad \text{und} \quad B=\frac{19}{12} \]


Ein weiteres Beispiel bei mehrfachen Faktoren:
\[\qquad \frac{x+2}{x^6+x^4-x^2-1} \]
Nullstellen \(x_1=1\) und \(x_2=-1\)

\[\qquad (x-1)(x+1)(x^2+1)(x^2+1) \] \[\qquad \frac{A_1}{x-1} + \frac{A_2}{x+1} + \frac{B_1^{[1]} x + C_1^{[1]}}{x^2+1} + \frac{B_1^{[2]} x + C_1^{[2]}}{(x^2+1)^2} \]

Multiplikation mit Nenner: \[\qquad x+2=A_1 (x+1) (x^2+1)^2 + A_2 (x-1) (x^2+1)^2 + \] \[\qquad \qquad \quad (B_1^{[1]} x + C_1^{[1]}) (x-1)(x+1)(x^2+1) + (B_1^{[2]} x + C_1^{[2]}) (x-1)(x+1) \]

Ermittlung der Koeffizienten durch Vergleich: \[\qquad x^0 \qquad 2=A_1 - A_2 - C_1^{[1]} - C_1^{[2]} \] \[\qquad x^1 \qquad 1=A_1 - A_2 - B_1^{[2]} \] \[\qquad x^2 \qquad 0=2A_1 - 2A_2 + C_1^{[2]} \] \[\qquad x^3 \qquad 0=2A_1 + 2A_2 + B_1^{[2]} \] \[\qquad x^4 \qquad 0=A_1 - A_2 + C_1^{[1]} \] \[\qquad x^5 \qquad 0=A_1 + A_2 + B_1^{[1]} \]
Daraus folgt: \[\qquad C_1^{[2]}=-1 \qquad B_1^{[2]}=-\frac{1}{2} \qquad C_1^{[1]}=-\frac{1}{2} \qquad B_1^{[1]}=-\frac {1}{4} \qquad A_2=-\frac{1}{8} \qquad A_1=\frac{3}{8} \]
Daraus resultieren folgende Partialbrüche: \[\qquad \frac{\frac{3}{8}}{x-1} + \frac{-\frac{1}{8}}{x+1} + \frac{-\frac {1}{4} x -\frac{1}{2}}{x^2+1} + \frac{-\frac{1}{2} x -1}{(x^2+1)^2} \]

Fazit:

Ist der Grad des Nenners \(m\), so hat man genau \(m\) unbekannte Koeffizienten zu ermitteln (von denen einige auch \(=0\) sein können). Für den Koeffizientenvergleich entstehen \(m\) lineare Gleichungen. Damit sind diese Gleichungen eindeutig und lösbar.



2.5.2 Einsetzmethode

Wiederum soll der schon bekannte, einfache echt gebrochenrationale Bruch \[\qquad \frac {2x-\frac{1}{3}}{(x-1)\cdot (x+3)}=\frac{A_1}{(x-1)} + \frac{A_2}{(x+3)} \] gelöst werden, diesmal mit Hilfe der Einsetzmethode.

Dazu muss mit dem Hauptnenner multipliziert werden. \[\qquad 2x-\frac{1}{3}=A_1 \cdot (x+3) + A_2 \cdot (x-1) \]
In diese Gleichung müssen nun so viele unterschiedliche \(x\)-Werte aus dem Definitionsbereich (also keine Nullstellen) eingesetzt werden, wie Koeffizienten vorhanden sind. Wenn man für \(x\) einmal \(4\) und dann \(5\) einsetzt, erhält man 2 neue Gleichungen. \[\qquad x_1=4 \qquad 8-\frac{1}{3}=7A_1 + 3A_2 \] \[\qquad x_2=5 \qquad 10-\frac{1}{3}=8A_1 + 4A_2 \] \[\qquad \qquad \rightarrow \quad A_1=\frac {5}{12} \quad \text{und} \quad A_2=\frac{19}{12} \]


Ein weiteres Beispiel bei mehrfachen Nullstellen:
\[\qquad \frac{x-6}{x^2-10x+25}=\frac{x-6}{(x-5)\cdot (x-5)}=\frac{ A^{[1]}}{(x-5)} + \frac{ A^{[2]}}{(x-5)^2} \]
Erneut mit dem Hauptnenner multiplizieren: \[\qquad A^{[2]} + A^{[1]}\cdot (x-5)=x-6 \]
Einsetzen von beliebig gewählten Werten \(x=10\) und \(x=20\) \[\qquad A^{[2]} + 5 A^{[1]}=4 \] \[\qquad A^{[2]} + 15 A^{[1]}=14 \]
Durch Gleichsetzen erhält man \[\qquad A^{[2]}=-1 \quad \text{und} \quad A^{[1]}=1 \]
Fazit:

Die Anzahl der beliebig zu wählenden Werte zum Einsetzen für \(x\) und der Grad des Nenners \(m\) stimmen überein. Wiederum erhält man aus \(m\) Gleichungen eindeutig \(m\) Koeffizienten.



2.5.3 Grenzwertmethode

Und ein drittes und letztes Mal soll der einfache echt gebrochenrationale Bruch \[\qquad \frac {2x-\frac{1}{3}}{(x-1)\cdot (x+3)}=\frac{A_1}{(x-1)} + \frac{A_2}{(x+3)} \] gelöst werden, diesmal mit Hilfe der Grenzwertmethode.

Multiplikation mit \((x-1)\): \[\qquad \frac{2x-\frac{1}{3}}{(x+3)}=A_1 + \frac{A_2 \cdot (x-1)}{(x+3)} \] Lässt man nun \(x\) auf beiden Seiten gegen \(1\) streben (das direkte Einsetzen verbietet sich, weil außerhalb des Definitionsbereichs), so folgt daraus: \[\qquad \frac{5}{12}=A_1 + 0A_2 \]
Analog dazu multipliziert man die Gleichung mit \((x+3)\), lässt \(x\) auf beiden Seiten gegen \(-3\) streben und erhält \(A_2=\frac{19}{12}\).
Die Grenzwertmethode führt oft sogar am schnellsten bei zum Ziel.

Fazit:

Durch Einsetzen der „verbotenen Werte“, weil auf beiden Seiten der Gleichung stetige Funktionen stehen, kann der Grenzwerte der zunächst außerhalb des Definitionsbereiches liegenden Werte verwendet werden.



2.5.4 Zusammenfassung

Bei einfachen Nullstellen bietet sich der Koeffizientenvergleich an, bei mehrfachen das Einsetzverfahren.
Die Koeffizientenvergleichsmethode wird bei einer großen Zahl von Partialbrüchen schnell unübersichtlich. Es bietet sich an, die den höchsten Potenzen der Linearfaktoren entsprechenden Unbekannten nach der Grenzwertmethode, die übrigen nach der Koeffizientenvergleichsmethode zu bestimmen.

Ganz besonders einfach werden die erforderlichen Rechnungen, wenn der Nenner nur einfache reelle Nullstellen hat. \[\qquad s(x)=\frac{f(x)}{g(x)} \qquad g(x) \text{ nur reelle Nullstellen 1.Ordnung} \]
Beispiel:
\[\qquad \frac {f(x)}{g(x)}=\frac{4x-1}{x^2-5x+6}=\frac{A_1}{x-3} + \frac{A_2}{x-2} \]

aus \(g(x)=x^2 -5x+6\) folgt die Ableitung \(g'(x)=2x-5\) und damit \[\qquad \frac {f(x)}{g'(x)}=\frac{4x-1}{2x-5} \] \[\qquad A_1=\frac{f(3)}{g'(3)}=11 \quad \text{und}\quad A_2=\frac{f(2)}{g'(2)}=-7 \]




2.6 Partialbruchintegrale

Durch die vorhergehenden Schritte ist jetzt jede gebrochenrationale Funktion in Partialbrüche aufgespalten, diese sind zu integrieren.

Der ganzrationale Anteil, der durch die Polynomdivision entstanden ist, lässt sich anhand des Grundintegrals integrieren: \[\qquad r(x)=\int \sum _{v=0}^m b_v x^v\,dx=\sum _{v=0}^m \frac{b_v}{v+1} x^{v+1} \]

Die Partialbrüche selbst liegen wegen der ausführlich erklärten Fallunterscheidung in 4 verschiedenen Basisformen vor.



2.6.1 Fall I: Einfache reelle Nullstelle

\[\qquad s(x)=\frac{A}{x-x_0} \]
Durch Ausklammern des Zählers, also der Konstanten \(A\), ist der Integrand auf die Form \(\frac{\text{Ableitung}}{\text{Funktion}} \) gebracht worden. Für diese Form der Grundintegrale folgt als Lösung der natürliche Logarithmus des Nenners.
\[\qquad \int \frac{A}{x-x_0}\,dx=A \ln | x-x_0 | \]



2.6.2 Fall II: Mehrfache reelle Nullstelle

\[\qquad s(x)=\frac{A^{[2]}}{(x-x_0)^2} + \frac{A^{[1]}}{x-x_0} \]
Die im Kapitel (1.6) über Grundintegrale vorgestellten Rechenregeln erlaubten folgende Umformung: \[\qquad \int \Bigl (\frac{A^{[2]}}{(x-x_0)^2} + \frac{A^{[1]}}{x-x_0} \Bigr )\,dx=\int \frac {A^{[2]}}{(x-x_0)^2}\,dx + \int \frac{A^{[1]}}{x-x_0}\,dx \]
Das rechte Integral ist bekannt. (siehe oben)
Das linke Integral löst man durch Substitution von \((x-x_0)=u\), \(dx=du\) \[\qquad A^{[2]} \cdot \int \frac{1}{u^2}\,du=A^{[2]} \cdot \Bigl ( - \frac{1}{u}\Bigr ) \]
Durch Rücksubstitution erhält man die Stammfunktion:
\[\qquad \int \Bigl (\frac{A^{[2]}}{(x-x_0)^2} + \frac{A^{[1]}}{x-x_0} \Bigr )\,dx=- \frac{A^{[2]}}{x-x_0} + A^{[1]} \ln | x-x_0 | \]

Diese Herleitung anhand einer doppelten Nullstelle lässt sich verallgemeinern auf n-fache reelle Nullstellen: \[\qquad \int \sum _{i=1}^n \frac{A^{[i]}}{(x-x_0)^i}\,dx=- \sum _{i=1}^{n-1} \frac {A^{[i+1]}}{i(x-x_0)^i} + A^{[1]} \ln | x-x_0 | \]



2.6.3 Fall III: Einfache komplexe Nullstelle

\[\qquad s(x)=\frac{Bx + C}{x^2+px+q} \]
Zur Bestimmung der Stammfunktion wird wieder substituiert. Davor formt man den Nenner mit Hilfe der quadratischen Ergänzung um: \((x^2 +px+q)=(x-s)^2 +t^2\). Man unterscheidet zwei Unterfälle, je nachdem ob der Zählergrad \(0\) oder \(1\) ist.
\[\qquad \int \frac{C}{x^2+px+q}\,dx=\frac {2C}{\sqrt{4q-p^2}} \cdot \arctan \Bigl (\frac{2x+p}{\sqrt{4q-p^2}}\Bigr ) \]
\[\qquad \int \frac{Bx + C}{x^2+px+q}\,dx=\frac{B}{2} \ln (x^2+px+q) + (C -\frac {pB}{2}) \cdot \int \frac{1}{x^2+px+q} \,dx \]

Ausführliche Herleitung in Weissinger, Johannes: Vorlesungen zur Höheren Mathematik; S. 176-177



2.6.4 Fall IV: N-fache komplexe Nullstelle

\[\qquad s(x)=\frac{Bx + C}{(x^2+px+q)^n} \]
Erneut gibt es zwei Unterfälle, je nach Beschaffenheit des Zählergrads. Die Herleitung der Stammfunktion sprengt den Rahmen dieser Arbeit und findet sich in obigem Buch (Weissinger, Johannes: Vorlesungen zur Höheren Mathematik).
\[\qquad \int \frac{C}{(x^2+px+q)^{n+1}}\,dx=-\frac{C}{(4q-p^2)n} \cdot \frac {2x+p}{(x^2+px+q)^{n}} + \frac{2}{4q-p^2} \cdot \frac{2n-1}{n} \cdot \int \frac{C}{(x^2+px+q)^{n}}\,dx \]
\[\qquad \int \frac{Bx + C}{(x^2+px+q)^n}\,dx=-\frac{B}{2(n-1)} \cdot \frac {1}{(x^2+px+q)^{n-1}} + (C -\frac{pB}{2}) \cdot \int \frac{1}{(x^2+px+q)^n}\,dx \]




2.7 Zusammenfassung der Partialbruchzerlegung




Nullstelle Partialbrüche Stammfunktion



reell und einfach \(\frac {A}{x-x_0} \) \(\ln |x-x_0| \)



reell und mehrfach \(\frac{A}{(x-x_0)^{n}} \) \(- \frac{A (x-x_0)^{-(n-1)}}{(n - 1)} \)



\( \frac{C}{x^2+px+q} \) \(\frac{2C}{\sqrt{4q-p^2}} \cdot \arctan \Bigl (\frac{2x+p}{\sqrt{4q-p^2}}\Bigr )\)
komplex und einfach
\( \frac{Bx+C}{x^2+px+q} \) \(\frac{B}{2} \ln (x^2+px+q) + (C -\frac{pB}{2}) \cdot \int \frac {1}{x^2+px+q} \,dx\)



\( \frac{C}{(x^2+px+q)^{n+1}} \) \( -\frac{C}{(4q-p^2)n} \cdot \frac{2x+p}{(x^2+px+q)^{n}} + \frac {2}{4q-p^2} \cdot \frac{2n-1}{n} \cdot \int \frac{C}{(x^2+px+q)^{n}}\,dx\)
komplex und mehrfach
\( \frac{Bx+C}{(x^2+px+q)^n} \) \(-\frac{B}{2(n-1)} \cdot \frac{1}{(x^2+px+q)^{n-1}} + (C -\frac {pB}{2}) \cdot \int \frac{1}{(x^2+px+q)^n}\,dx\)



Die Partialbruchzerlegung ist eindeutig lösbar, bis auf die Reihenfolge der Partialbrüche.